Umzug

Beim Kisten und Taschen schleppen fielen mir folgende Gedanken ein.

Umzüge sind für die einen ein Lebenselixier, für die anderen eine Kraftanstrengung oder gar Qual.

Der unterschiedliche Umgang berührt die „Grundformen der Angst“ von Fritz Riemann, einem Klassiker der Tiefenpsychologie. Er berührt den Gegensatz zwischen „zwanghaften“ und „hysterischen“ Persönlichkeitstypen, wie Riemann sie nennt. Sperrt sich der eine gegen Veränderungen, so hält es den anderen nie lang an einem Platz. Letzterer hat mit Umzügen wenig Problem, denn das Leben ist für ihn ständige Bewegung. Heute wird die Frisur geändert, morgen das Zimmer neu gestrichen, übermorgen eine neue Bleibe gesucht. Viel schwerer fällt es dam Anderen, der mit dem Umzug nicht nur lieb gewonnene Möbel, sondern mannigfaltige Erinnerungen und Sentimentalitäten mitschleppt…

Der neue Frankfurter Maskenball

Diskotheken könnten wieder öffnen, wollen es aber nicht

Die Frankfurter Diskotheken dürfen öffnen. Hurra, das Nachtleben ist wieder da, mögen manche jubeln. Doch sie haben sich zu früh gefreut. Die Einschränkungen aufgrund der Corona-Verordnungen lassen den Veranstaltern zwei Möglichkeiten. Entweder sie werden zu Erfüllungsgehilfen der Impf-Repression. Oder sie müssen sich so bizarren Regeln unterwerfen, wie sie nur von Politikern und Bürokraten ausgeheckt worden sein können, die schon sehr lange kein Nachtleben mehr genossen haben. Wenn sie es denn überhaupt jemals erlebt haben. Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) zum Beispiel, der das nun für die hessischen Diskotheken angeordnete Konzept verteidigte. Der „Königsweg aus der Pandemie“ ist seiner Meinung nach ohnehin nicht das Tanzen, sondern nur die Impfung.

Bis August durfte nur auf Außenflächen getanzt werden. Das ist im Sommer noch realisierbar, wenn dieser nicht so unbeständig und regnerisch wie der diesjährige ist. Sobald die Temperaturen aber sinken, dürfte der Tanz im Wintermantel und mit abgefrorenen Fußzehen nicht mehr sonderlich attraktiv für verweichlichte Mitteleuropäer sein. Aber die Politik möchte vor der Bundestagswahl Entgegenkommen signalisieren und erlaubt auch wieder Tanzveranstaltungen im Inneren. Allerdings entweder „2G“, also nur mit Impf- oder Genesenennachweis. Dieser wird dann allerdings auch von allen Angestellten des Betriebs verlangt. Oder „3G“, also mit einem maximal 48 Stunden alten negativen PCR-Test. Auf eigene Kosten, versteht sich. Nichts mehr ist also mit spontanen Abendvergnügungen für jene, die trotz ständiger Ermahnung durch unsere Massenmedien das Impfrisiko immer noch scheuen.

Außerdem darf, zumindest im Fall des „3G“ in den Diskotheken trotz negativer Testergebnisse nur mit Maske und unter Wahrung des Corona-Abstands getanzt werden. Die Frage, warum das so ist, wird die hiesigen regierenden Politiker nur kurz in Erklärungsnöte bringen. Irgendeine Begründung werden sie sich schon ausdenken. Immerhin sollten nach offizieller Lesart doch Geimpfte und Genesene immun sein, somit vor Ansteckung und schweren Krankheitsverläufen geschützt. Und der PCR-Test, der zweifelhafte Heiligtum des Robert-Koch-Instituts, sollte ja ebenso angeblich nachweisen, dass eine negativ getestete Person nicht an Corona erkrankt sein kann. Weshalb also Geimpfte, Genesene und negativ Getestete trotzdem in der Diskothek Maske tragen und Abstand wahren sollen, erschließt sich nur denjenigen, die ohnehin denken, dass etwas mit der Corona-Hysterie und den Impfungen faul sein muss.

Die Veranstalter merkten, daß sich eine Zeitungsmeldung oder ein PR-Gag der herrschenden Politik hinter der Öffnungspolitik verstecken könnte. „Die Politik verkündet eine große Eröffnungswelle, aber in der Realität ist das überhaupt nicht umsetzbar“, erklärte denn auch Victor Oswalt von der Interessenvertretung „Clubs am Main“ hinsichtlich der anfänglich nur im „3G“-Modus geplanten Öffnungen. Die Initiative vertritt die Interessen von 15 Diskotheken aus Frankfurt und dem Umland sowie von DJs und Künstlern. Die Regel, dass pro Gast 5 Quadratmeter zur Verfügung zu stehen haben, sei unrentabel. „Es dürfen einfach zu wenige Leute rein. Und welcher Gast möchte allein in einem fast leeren Club mit Maske tanzen?“, so Oswalt. Dann bleibt der Gast doch lieber zu Hause, zumal er sich dann auch nicht in der Nase herumstochern lassen muss.

Die Clubbetreiber wähnten und wähnen sich bei den regierenden Politikern dennoch gut aufgehoben. Trotzdem jene dem Bürger schon seit Längerem die kalte Schulter zeigen. Man wolle ja kein „Superspreader-Event“ abhalten, wurde vorsichtig betont, sondern „der Verantwortung“ nachkommen. Was auch passiert, die Nachtleben-Unternehmer bleiben ganz brav und treu ergeben in ihrer Bürgerpflicht. Das haben sie mit dem staatlich subventionierten Kulturbetrieb gemein. Oswalt sah also gar keine Beanstandungen an den Apartheits-Zutrittsregeln von „2G“. So machte er sich nur für freien Zutritt von Geimpften und Genesenen nach der „2G“-Regel stark, bevor die Politik das noch in ernste Erwägung zog. Und es sei zumindest richtig, daß Nichtgeimpfte, wenn sie denn nun wirklich unbedingt in einen Club gehen möchten, eben einen kostenpflichtigen PCR-Test vorzuweisen haben. Schließlich seien Ungeimpfte irgendwie selbst schuld, denn sie könnten ja eines der tollen Impfangebote annehmen.

Keinen Zentimeter wird durch die Interessenvertretung der Clubbetreiber vom offiziellen Narrativ abgewichen. Nur, dass es im Inneren der Clubs trotz aller Zutrittsverbote immer noch Verhaltens-Beschränkungen gibt, störte Oswalt, der die Unlogik der ganzen Corona-Diskussion aber scheinbar gar nicht wirklich registriert. Das Wasser muss ihnen längst bis zum Hals stehen, und die (verhinderten) Gäste mit kritischem Geist werden sich derartige Äußerungen hoffentlich merken.

Gerade die Meldungen einer „2G“-Party aus Münster, die sich zum „Superspreader“-Event entwickelte, sollte eigentlich zum Nachdenken zwingen.

Die Politik redet sich aus ihren zwielichtigen Verordnungen heraus, daß ohne die Impfungen die Erkrankungen der in der Regel jungen Partygäste schwerer verlaufen wären. Einen Beweis für diese Mutmaßung kann und braucht sie nicht erbringen. Wolle man aber konsequent sein und jede Übertragung des Corona-Virus minimieren, müssten eigentlich alle Besucher solcher Veranstaltungen negativ getestet sein, ob geimpft oder ungeimpft.

Und die Presse echauffiert sich derweil verlogen darüber, daß Gastronomen, die sich für „2G“ entschlossen haben, Hass und schlechte Kritiken von Gegnern der Regelung entgegenschlagen. Dabei würden doch die Anhänger von „2G“ im Gegensatz dazu viel besonnener reagieren: „Die meckern aber nicht so bösartig, sondern äußern nur ihr Bedürfnis.“

Ähnliches hätten die gleichen Pressevertreter, vermutlich auch geschrieben, wenn sie seinerzeit schon für ein Blatt im südafrikanischen Apartheitsstaat tätig gewesen wären: Warum regte sich der Schwarze denn auf, daß er nicht Einlass in ein Lokal nur für Weiße bekommt? Die weißen Gäste im Inneren blieben doch auch ganz ruhig und besonnen. Deutsche Journalisten-Logik 2021.

Es geht somit heute nur darum, Impfdruck aufzubauen. Aus Gründen des Profits der Pharmaindustrie oder der Gesichtswahrung unserer Politiker, sei dahingestellt. Somit sind auch die Regelungen für Konzerte derzeit alles andere als sinnlich. Oder können Sie sich ein Hard-Rock-Konzert vorstellen, bei dem Ihnen ein kleines Quadrat als fester Stehplatz zugewiesen wird, welches Sie während der Veranstaltung nicht verlassen dürfen? Vom Pipi machen mit Maske vielleicht abgesehen.

Dass Musiker wie Xavier Naidoo, Nena oder Helge Schneider gegen derartige Veranstaltungen rebellierten, ist nur ein kleines Aufflackern von Licht angesichts der immer noch erdrückenden politisch-korrekten Unterwürfigkeit in der Kultur- und Nachtlebenszene.

Soll man also Mitleid mit dieser Szene haben? Vielleicht hat die Corona-Zeit ja auch eine gute Seite. Einige Leute machen ein paar Erfahrungen, und einige wenige von ihnen kommen dadurch vielleicht ein bisschen zum Nachdenken.

(Zuerst erschienen bei bff-frankfurt.de am 22.9.2021)

Historisches Oberforsthaus rasch wiederaufbauen! Frankfurt droht der Verlust eines weiteren Kulturdenkmals

Anfang Juli wurde der historische Dachstuhl der Remise des Oberforsthauses ein Opfer der Flammen. Als die Feuerwehr alarmiert wurde, brannte das denkmalgeschützte Gebäude bereits lichterloh. Drei Stunden dauerten die Löscharbeiten. Immerhin scheinen aber die Mauern das Inferno ohne Risse überstanden zu haben. Direkt verantwortlich für das Schreckensszenario war höchstwahrscheinlich Brandstiftung. Es gibt aber noch eine indirekte Verantwortung, und diese liegt in der jahrelangen Untätigkeit der städtischen Verantwortlichen begründet.

Thomas Bauer, Vorsitzender des Denkmalbeirats, äußerte, daß die Sanierung des ruinösen ehemaligen Pferdestalls seit vielen Jahren „eine absolute Hängepartie und kein Ruhmesblatt für die Stadt“ sei.

Die Geschichte der Anlage reicht bis in das Jahr 1729 zurück. Damals durfte der in dem Haus wohnende Oberförster Gäste bewirten, so dass das Areal bereits im 18. Jahrhundert zu einem beliebten Gasthof wurde, der auch Goethe zum Besuch einlud. Der Dichter verarbeitete dies durch eine Erwähnung als „Jägerhaus“ in seinem berühmten „Faust“. Die fortschreitende Motorisierung sowie eine verfehlte Stadtplanung isolierten das Gebäude im 20. Jahrhundert zunehmend auf einer von Autos umfahrenen Insel. Die Gastronomie wurde 1953 eingestellt, das Oberforsthaus abgerissen. Nur der denkmalgeschützte Pferdestall blieb stehen und rottete seitdem vor sich hin. 2012 erwarb die Stadt Frankfurt das Gelände im Rahmen einer Zwangsversteigerung zu einem Kaufpreis von 750.000 Euro. Doch anstatt selbst Nutzungskonzepte zu realisieren, versteiften sich die Verantwortlichen auf die Suche nach einem Investor. Da der umliegende Baumbestand nicht gerodet werden darf und somit die für eine Bebauung zur Verfügung Fläche klein ist, wurde aus den in der Presse vollmundig verbreiteten Investorenplänen, im Gespräch war unter anderem ein Hotelbetrieb, nichts.

Bereits im Jahr 2016 hatten die Bürger Für Frankfurt BFF die ausstehende Sanierung des Bauwerks zum Thema im Stadtparlament gemacht, doch die Jahre lange Untätigkeit der Stadt hat zu einem enormen Sanierungsstau geführt. Im Jahr 2019 schließlich sollte das Gebäude zumindest ein Notdach erhalten, um es vor Witterungseinflüssen besser zu schützen. Doch außer leeren Versprechungen tat die Stadt gar nichts und verzichtete zwischenzeitlich lediglich auf die zwingende Vorgabe einer gastronomischen Nutzung des Objektes.

Nun hat sich die Situation durch den Brand weiter dramatisch verschlechtert und Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) vergießt gegenüber der Presse Krokodilstränen. Es droht ein weiterer Denkmal-Verlust für den Frankfurter Süden, nachdem 2020 bereits das barocke Fachwerkhaus Kelsterbacher Straße 28 in Niederrad trotz Bürgerprotesten abgerissen wurde.

Die Stadt ist nun aufgefordert, endlich zu handeln. Dazu gehören zunächst die umgehende Sicherung der Ruine, ein unkonventionelles Nutzungskonzept ohne Wenn und Aber sowie der rasche denkmalgerechte Wiederaufbau der Remise des historischen Oberforsthauses.

(Zuerst erschienen bei bff-frankfurt.de am 3.8.2021)

Gedankensplitter

Ein Bekannter erzählte, dass das Studio für einen Tag komplett frei wäre. „Warum nicht ein paar Videos drehen?“, dachte ich. Alles musste ganz schnell gehen. Die Texte in der Nacht zuvor überlegt, etwas übermüdet hingefahren, abgedreht. So entstand die Mini-Serie „Gedankensplitter“, die ich auf meinen neuen, kleinen youtube-Kanal stellte.
Eine der Folgen handelt von „Liebe“…

…vielleicht macht sie Lust auf mehr.

Vorträge Architektur – Rekonstruktionen – Altstadt

Vor und nach der Realisierung des Projekts der so genannten neuen Frankfurter Altstadt hielt ich zahlreiche Vorträge zum Thema Reform der Architektur und Rekonstruktionen. Zum Beispiel in Marburg, Darmstadt und Berlin. Hinzu kamen mehrere Interviews.

(Mit Wolfgang Hübner, Stadtverordneter BFF)

(Frankfurter Buchmesse 2018)

(Mit Stadtrat Roland Beck auf der Eröffnungsfeier zur neuen Frankfurter Altstadt in der Paulskirche am 28.9.2018)

Einen Vortrag hielt ich 2018 in Frankfurt am Main auf der Tagung „Altstadt 2.0 – Städte brauchen Schönheit und Seele“ mit zahlreichen Vortragenden. Diese Rede ist nun auf youtube zu hören.

Frankfurts Schottergärten begrünen. Umweltpolitik ohne Zwang ist besser

Schottergärten sind im Trend. Doch ökologisch sind sie keinesfalls. Gleichwohl breiten sie sich seit Jahren in deutschen Vorgärten aus. Schotterflächen aus Kies oder Steinen unterschiedlicher Herkunft, die nur noch vereinzelt von spärlichen Pflänzlein geziert werden.

Gartenbauer verdienen gut an jenen Steinflächen, deren Herstellung rasch hunderte Euro kostet. Die Gartenbesitzer werden mit dem Versprechen gelockt, die Flächen wären pflegeleicht. Dass das nicht unbedingt stimmt, wissen diejenigen, die mühsam Unkräuter aus den Ritzen zwischen den Steinen zu entfernen versuchen. Zudem setzen Kiesel mit der Zeit Moos an.

Das akkurate Aussehen kann also schnell in Richtung Verwahrlosung kippen, wenn nicht in regelmäßigen Abständen Laubbläser und Hochdruckreiniger zum Einsatz kommen, was allerdings den Stromverbrauch in die Höhe treibt. Am schlimmsten aber ist der ökologische Schaden. Im Gegensatz zu klassischen Steingärten, die Insekten vielfältige Nahrung liefern, handelt es sich bei Schottergärten um für die Natur wertlose Flächen. Die Bodenversiegelung, da die Steine in der Regel dicht auf einem Vlies liegen, führt dazu, daß Niederschlagswasser nicht nur schwer in die Erde gelangen kann, sondern bei größeren Mengen auch die Kanalisation belastet, wenn nicht sogar Keller volllaufen lässt. Die Bodenfruchtbarkeit geht zudem verloren.

Hinzu kommt der erwärmende Charakter, der gerade in Städten negativ zu Buche schlägt. Die Steine heizen sich bei sommerlicher Sonnenbestrahlung stark auf, was die ohnehin spärliche Bepflanzung betreffender Vorgärten regelrecht grillt. Staub wird nicht mehr gefiltert. Das Problem Schottergärten ist schon seit einigen Jahren ein Thema in der Frankfurter Kommunalpolitik. Leider hat das nicht zu spürbaren Lösungen geführt. Nun präsentierten im März Planungsdezernent Mike Josef (SPD) und Umweltdezernentin Rosemarie Heilig („Grüne“) den Entwurf einer „Gestaltungssatzung Freiraum und Klima“. Hier wird der Teufel aber mit dem Beelzebub ausgetrieben. Denn die Satzung geht weit über die Problematik Schottergärten hinaus und greift stark in das Eigentumsrecht der Bürger ein.

Bürokratisches Ungeheuer in Frankfurt

So sollen Bürger künftig gezwungen werden, auch geeignete Dachflächen und Teile der Fassade zu begrünen. Dass dies in einem Konflikt mit eventuell dort angebrachten Wärmedämmplatten führen könnte, die womöglich Beschädigungen erleiden, ist ein Nebenaspekt. Meterhohe Sichtschutzzäune oder künstliche Pflanzen sollen ebenfalls verboten werden. Das alles betrifft nicht nur Vorgärten, sondern auch Gärten hinter den Häusern, die also von der Straße aus gar nicht zu sehen sind. Hierbei handelt es sich nicht um kleine Areale, denn viel Wenig macht ein Viel. Es wird davon ausgegangen, daß 30 Prozent des Frankfurter Stadtgebietes von Gebäude- und Grundstücksfreiflächen geprägt sind.

Die Gestaltungssatzung entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als bürokratisches Ungeheuer. So ist es ja noch akzeptabel, daß die Grundstücksfreiflächen mindestens mit Rasen begrünt werden sollten. Doch je angefangene 200 Quadratmeter der Grundstücksfreiflächen soll in Zukunft ein standortgerechter mittel- oder großkroniger Laubbaum vorgeschrieben sein. Vorhandene Bäume werden zumindest angerechnet. Auf mindestens zehn Prozent der Grundstücksfreiflächen sollen standortgerechte Sträucher gepflanzt werden. Vorhandene Sträucher werden ebenfalls angerechnet. Dächer von Carports, Garagen und Nebenbauten seien mit einer mindestens acht Zentimeter hoher Vegetationstragschicht zuzüglich Filter- und Drainageschicht zu begrünen.

Es fragt sich, welche städtischen Beamten diese Anordnungen eigentlich kontrollieren sollen? Werden alle Carports der Stadt zukünftig abgelaufen, und die Drainageschicht mit dem Zollstock nachgemessen? Verschaffen sich in Zukunft Verwaltungsbeamte via Durchsuchungsbeschluss Zugang zu Privatgärten hinter Häusern, um dort zu kontrollieren, daß mindestens 10 Prozent der Fläche mit standortgerechten Sträuchern bepflanzt wurden?

Es dürfte vermutlich vielmehr zu stichpunktartigen Kontrollen kommen, die Angst bei den Bürgern verbreiten und zudem Geld in die klamme Stadtkasse spülen sollen. Bei Zuwiderhandeln könne nämlich ein Bußgeld von bis zu 15.000 Euro verlangt werden, heißt es.

Meterhohe Sichtschutzzäune sollen außerdem verboten werden. Außer licht- und luftdurchlässigen Zäunen und Hecken ist dann nur noch ein Sichtschutz für Terrassen zulässig. Hier fragt sich der letzte Bürger, was diese Zaunvorschriften noch mit Ökologie oder Klimaschutz zu tun hat. Sofern dadurch kein Nachbar unmittelbar in Sicht und ästhetischem Empfinden beeinträchtigt wird und das Ortsbild nicht leidet, sollten solche Zäune eigentlich im privaten Verantwortungsbereich bleiben.

Massive Eingriffe in Eigentumsrechte

Die Notwendigkeit der neuen Gestaltungssatzung wird folgendermaßen begründet:

„Eine Freiflächensatzung ist auch deswegen nötig, da bestehende Regelungen nicht ausreichen: Festsetzungen in Bebauungsplänen bestehen nur für Teile des Stadtgebiets; ältere Bebauungspläne ohne solche Festsetzungen und unbeplante Innenbereiche überwiegen. Die Vorgartensatzung macht zwar Vorgaben für die Freiflächengestaltung zwischen der Bebauung und der öffentlichen Verkehrsfläche, die übrigen Freiflächen bleiben aber unberührt. Die Baumschutzsatzung verfolgt das Ziel, Grünbestände auf den privaten Grundstücken im Innenbereich zu schützen, Neupflanzungen sind allerdings nur als Ersatzpflanzung vorgeschrieben.“

Hier wird also aus an sich nachvollziehbaren Gründen der Ökologie und Stadtklimas massiv in das Eigentums- und freie Gestaltungsrecht der Grundbesitzer eingegriffen. Das liegt ganz auf der Linie des rot-grünen Bevormundungsstaates. Nun lehnen auch die BFF Schottergärten aus den oben genannten Gründen grundsätzlich ab. Sie sehen das Thema ebenfalls als wichtig an. Und auch sie setzen sich für die Entsiegelung und Begrünung privater Flächen ein. Bei den Vorgärten können Gestaltungssatzungen einen Sinn machen, sofern dadurch das Stadtbild beeinträchtigt wird.

Bei den Dachflächen und den hinter den Häusern gelegenen Hof- und Gartenflächen sollten die Maßnahmen aber nur auf der Basis der Freiwilligkeit der Besitzer in Angriff genommen werden. Die Stadt hat andere Instrumentarien, als Zwang und Bußgeld. So können bei der Bemessung städtischer Abwassergebühren ver- und entsiegelte Flächen anders berechnet werden. Bürgern, die Flächen entsiegeln und begrünen können dadurch Geld sparen. Ebenso könnte die Stadt Zuschüsse für die Entsiegelung von Flächen in Aussicht stellen. Auch die kostenlose Lieferung von Erde und einigen Pflanzen wäre ein städtisches Angebot, daß Bürgern die Begrünung von Vorgärten und Hofflächen schmackhaft machen könnte. Städtische Broschüren mit Gestaltungsvorschlägen könnten Bürgern in die Briefkästen geworfen werden, um ihnen Ideen zu vermitteln, die jenseits des Profitinteresses einiger Gartenbauer liegen.

Der Trend zum Schottergarten wird auch wieder vorbeigehen. Viele Bürger sehnen sich nach Grün. Man muß ihnen nur die richtigen Angebote machen, um einen Bewusstseinswandel in Gang zu setzen. Ökologie ist möglich, aber ohne Corona-, Klima- oder Ökodiktatur.

Zuerst erschienen bei bff-frankfurt.de am 6.7.2021

Stinknormal, aber erfolgreich?

Die AfD setzt auf Normalität. „Deutschland. Aber normal“, lautet der Titel ihrer Wahlkampagne. Attraktiver macht sie das nicht.

Der Gedanke hinter der Kampagne ist nachvollziehbar. Er speist sich aus Äußerungen, die öfters im Umfeld konservativ denkender Bürger, Leserbriefschreiber oder Online-Kommentatoren zu hören sind. Häufig verstehen diese Leute nicht die Hintergründe der sie verunsichernden gesellschaftlichen Entwicklungen.

Bildlich ausgedrückt haben sie Jahrzehnte geschlafen. Sie haben sich nicht mit den Zielen der maßgeblichen politisch-wirtschaftlichen Akteure auf nationaler und internationaler Ebene beschäftigt. Sie sind zu träge, sich auf die Komplexität gesellschaftlicher Vorgänge einzulassen. Deshalb bleibt ihnen nur, mit Äußerungen a la „die Welt ist doch verrückt geworden“ oder „das ist doch alles nicht mehr normal“ zu reagieren.

Hinter diesem verständlichen Wunsch nach „Normalität“ verbirgt sich die Sehnsucht nach gesicherten Lebensgrundlagen, nach einem traditionellen oder zumindest gewohnten Wertesystem. All das aber gerät durch die forcierten weltpolitischen Entwicklungen und eine mächtiger werdende rot-grüne Ideologisierung, beispielsweise in der Migrations- oder Klimapolitik, zunehmend ins Wanken.

Doch das Konzept „Normalität“ ist weitgehend eine konservative Kopfgeburt. Es wird ein Zustand der Vergangenheit als Idyll bewertet, bei dem die Welt noch „normal“ war, und zu dem es zurückzukehren gelte. Das war in der sozialliberalen Ära Brandt und Schmidt die Welt der Vor-68er-Zeit, also die Epoche Adenauers und Erhards. Doch Helmut Kohl konnte und wollte die versprochene Wende nicht einlösen. Heute ist die Zeit Kohls wiederum das konservative Leitbild. Die Welt war damals offenbar noch „normal“, mit Dieselfahrzeug, sicherem Job, Mallorca-Urlaub, und ohne zu viele Migranten im Stadtbild, von FFP2-Masken ganz abgesehen.

Man wird immer bescheidener. Oder: Die Wahrnehmung von „Normalität“ ist Wandlungen unterlegen. Die Welt hat sich seit Kohl weitergedreht. Dafür gibt es Gründe, die teils mit klaren politischen Zielen der globalen Geldeliten zu tun haben. Jene sind es, die mittels meinungsstarker NGOs Migrationsströme fördern. Jene sind es, die auf Handelserleichterungen für global agierende Großkonzerne drängen, bei denen kleine und lokale Unternehmer zunehmend das Nachsehen haben. Jene sind es, die die Digitalisierung fördern und den damit einhergehenden Verlust der Privatsphäre der Bürger.

Doch zurück zur AfD-Kampagne, die auf viele Wähler wenig attraktiv wirken dürfte. Es ist nämlich zu bedenken, daß maßgebliche Teile der heute tonangebenden Generation in der Post-68-Zeit aufgewachsen sind. Sie wurden von einem Zeitgeist geprägt, in dem der Begriff „Normalität“ negativ konnotiert ist. „Normalität“ erschien als der spießige Muff des Kleinbürgertums, die Kehrwoche, der schnüffelnde Nachbar, der Sex nach Norm, die Hitparade der Volksmusik, Sessel mit Schonbezug.

Selbstverwirklichung gegen die Zwänge der Normalität wurde stattdessen als Parameter dieser Generation propagiert. „Be yourself, no matter what they say“, sang Sting 1987. „Lebe lieber ungewöhnlich“, lautete ein bekannter Filmtitel von 1997. Für viele dieser Leute ist womöglich ihre einzige positive Vorstellung von „Normalität“ eine Welt, in der es noch keine AfD gab bzw. nicht zu geben hat.

Auch die Post-68er-Generation ist gealtert, hat Berufe ergriffen und Familien gegründet. Somit hat bei ihnen eine durch die Lebensumstände bedingte, gleichsam natürliche Entwicklung in Richtung Konservatismus stattgefunden. Dennoch bleiben gewisse Prägungen, also in der Jugend erlernte Bewertungsmuster, oft bestehen. Und Jüngere neigen von Natur aus eher dazu, „unnormale“, normübertretende Dinge auszutesten, da sie sich in der Lebensphase der Rebellion, Selbstfindung und Erfahrungssammlung befinden.

Bei diesen Gruppen also kann der Begriff der „Normalität“ kaum gut ankommen. Er ist schlicht unsexy und wenig attraktiv. Bleiben also einige der Alten. Und bei der jungen und mittleren Generation einige der braven, also der im privaten Leben sehr traditionell orientierten Vertreter.

Doch diese sind bekanntlich keine Rebellen, die in der Lage sind, ein Stimmungsklima zu erzeugen bzw. ein solches zu drehen. „Normale Bürger“ – also solche, für die „Normalität“ ein Leitbild ist – gehen eher selten auf die Straße, sie artikulieren sich nicht laut und üben sich nicht in Widerstandshandlungen. Dem Kleinbürger muß sehr stark auf die Zehen getreten werden, damit er zum Rebellen wird. Dann aber steigen in ihm Wut, Empörung, Vergeltungsdrang hoch, nicht mehr der Wunsch nach der Ruhe „normaler Verhältnisse“.

Nun leben wir wirklich nicht mehr in einer Welt des so genannten „normalen Menschenverstandes“. Junge Leute jubeln zur Ankunft von „Refugees“, welche die hiesigen Sozialsysteme belasten und somit Steuergeld verbrauchen, das an anderer Stelle dringend fehlt. Sie fordern die Rettung der Welt durch Klimaziele, die längerfristig den eigenen Wohlstand in Frage stellen, während sie gleichzeitig fröhlich durch die Welt reisen und Massen an Energie durch Internetsurfen, Youtube-Filme gucken, Up- und Downloaden verbrauchen. Ihnen fällt der Widerspruch zwischen den eigenen Freiheits-Ansprüchen und den repressiven Forderungen gegen Andersdenkende, so lange diese „rechts“ sind, kaum auf.

Geld wird für sinnlose Projekte der öffentlichen Hand verprasst und an anderer Stelle vom produktiven Teil der Bevölkerung erpreßt. Fernsehmoderatoren hauchen mittlerweile vor einem Millionenpublikum Gendersternchen, die von radikalfeministischen amerikanischen Professorinnen ausgedacht wurden und vor kurzem allenfalls in Sekten kursierten.

In einer Zeit riskanter Extremsportarten, der Fernreisen und einer, früheren Jahrhunderten unbekannten, Lust am Nervenkitzel, reicht die tägliche Fernsehbeschallung, um angesichts eines gewöhnlichen Virus übersteigerte Angstreaktionen hervorzurufen. Hinzu kommen die repressiven Maßnahmen des Staates inklusive Maskenzwang und Ausgangssperren, die zu einer massiven Verunsicherung vieler Bürger beitragen. Und nun ist bereits von Grundrechteinschränkungen zum Erreichen irrealer Klimaziele die Rede.

Der Wunsch nach Rückkehr zu „Normalität“ ist also verständlich. Doch reicht dieser Wunsch als Kontra gegen einen zunehmenden ideologischen Radikalismus, der von Globalisten und „Grünen“ immer offener durchgesetzt wird? Was setzt der Wunsch nach „Normalität“ entgegen, außer dem bangen Verteidigen eines längst zerbröckelnden und zerschlagenen Status Quo ante?

„Normalisierungspatriotismus: Das ist die Wiederherstellung des Selbstverständlichen und Tragfähigen (…) Der Normalisierungspatriotismus ist der kleinste gemeinsame Nenner und das maximal erreichbare politische Ziel“, schrieb Götz Kubitschek vor anderthalb Jahren.

Mehr ist es aber nicht. Das gibt Kubitschek auch zu: „Die Normalisierung der Verhältnisse, die Herstellung von Normalität in allen Lebensbereichen, Verfahrensfragen und Politikbereichen ist zugleich eine politische Minimalforderung und beinahe schon eine Überspannung der Kraft, und dies, obwohl in dem Aufruf zur Normalisierung das Defensive, das In-ein-Gleichgewicht-Bringen steckt – und keinesfalls eine Überdehnung in die andere, die nicht-linke Richtung.“

Es mag sein, daß die AfD mit ihrer Kampagne gewisse Wählerstimmen gewinnt. Es mag sein, daß sie sich als Hort eines sicheren Lebens wie vor Corona, wie vor 2015, wie „vor Merkel“ zu präsentieren vermag. Doch selbst wenn dadurch Stimmen gewonnen werden – was nutzen diese, wenn man keinen gestalterischen Willen hat, der über die Herstellung einer angeblichen „Normalität“ hinausgeht?

Will man die Werte retten, die durch die Vorstöße des „Unnormalen“ zerstört werden, muß man der negativen Kraft eine positive Vision entgegensetzen. Eine Vision von Gesellschaft, die auch junge Menschen begeistern kann. Eine Vision, die die Augen stärker glänzen läßt als der Traum, sein Geschlecht jeden Tag wechseln zu können.

„Normalität“ ist nur wieder zu erlangen, indem man kreativ ist, wagemutig, ein bisschen verrückt, jedenfalls herrlich unnormal.

Zuerst erschienen bei sezession.de am 19.5.2021

„Ampel-Plus“ im Römer? Was hinter der politischen Partei „Volt“ steckt



Ab Ende Mai soll die Stadt Frankfurt von einer so genannten „Ampel-Plus“-Koalition regiert werden. „Ampel“ ist bekannt. Es ist ein rot-grünes Bündnis mit der „gelben“ FDP, die für ein paar Posten immer schon als opportunistische Mehrheitsbeschafferin funktioniert hat. Aber für was steht das „Plus“? Dahinter verbirgt sich die neu in den Römer eingezogene Partei „Volt“. Hier lohnt ein genauerer Blick, um welches Phänomen es sich dabei eigentlich handelt. „Volt“ sieht sich nämlich als „paneuropäische“ Partei. Die jeweiligen nationalen und kommunalen Sektionen verstehen sich primär nicht als eigenständig, sondern als Untergruppierungen der transnationalen Gesamtpartei.

Ziel ist die Zentralisierung hin zu einem europäischen Bundesstaat. Die politischen Rechte der Nationalstaaten würden dadurch weiter beschnitten, so dass die Einzelstaaten irgendwann nur noch machtlose Provinzen einer Brüsseler Zentralverwaltung wären. Dieser Weg zu einem „vereinten Europa“ wird auch von „Volt Frankfurt“ als Engagement für eine „nachhaltige und gerechte Gesellschaft“ verkauft. Politischer Feind sind hingegen „nationale Egoismen und nationalistische Bestrebungen“, die es „zu überwinden gelte“. Das ist komplett anschlussfähig an die Ausrichtung der bundesdeutschen Altparteien und den Interessen derjenigen, die auf eine weitere Globalisierung drängen.

Zwei Punkte sind auffällig bei „Volt“. Zum einen handelt es sich um eine sehr neue Formation, die erst 2017 gegründet wurde. Dennoch schaffte sie es aus dem Stand innerhalb von nur drei Jahren, 2020 mit einem Abgeordneten ins Europa-Parlament gewählt zu werden und in Kommunalparlamente einzuziehen. Dieser Sprung glückte im März auch in Frankfurt, mit für eine Neugruppierung recht stolzen 3,7 Prozent und vier Sitzen. In ganz Hessen gingen 18 Kommunalsitze an die neu angetretene Gruppierung.

Zum anderen fällt auf, daß „Volt“ im Durchmarsch durch geöffnete Türen auch gleich in Regierungsmitverantwortung gehievt wird. Nicht nur in Frankfurt wird die Partei mitregieren, in der Rhein-Metropole Köln tut sie es ebenfalls, dort in einem Bündnis mit CDU und „Grünen“. Bei den etablierten Parteien besteht also keinerlei natürliche „Berührungsscheu“ gegenüber einem bislang unbekannten parlamentarischen Neuling. Das bedeutet, daß „Volt“ auch in ihren über den Europa-Globalismus hinausgehenden politischen Zielen offenbar bestens zu den Inhalten der übrigen Altparteien passt. Diese folgen ja schon längst dem „grünen“ Zeitgeist, in welchen unterschiedlichen Farben sie sich auch dem Wähler präsentieren.

Linksliberales Wählerpotential in den Großstädten

Dazu hilft ein Blick in die politische Programmatik von „Volt“. Liest man in den Verlautbarungen ihrer Vertreter, geht es um Einwanderungskontingente, für die in einem massiven Neubauprogramm Sozialwohnungen errichtet werden sollen. Es geht um Gender-Sternchen, Klimaschutz, europäische Wirtschaftsunion (natürlich zulasten Deutschlands) und den üblichen Kampf gegen alles Nationale. Da es offenbar Überschneidungen in der Wählerschaft gibt, überrascht es nicht, daß der Stadtverordnete Nico Wehnemann von der weit links angesiedelten „Die Partei“ unlängst vor der Formation „Volt“ warnte, die in Frankfurt ein deutlich stärkeres Wahlergebnis erzielte als seine Spaßpartei. Diese würde einen „neoliberalen“ Kurs fahren, mahnte er.

Wobei er übersah, daß die gesamte Linke längst zum nützlichen Idioten des globalisierenden Kapitals geworden ist. Seine „Partei“, deren „Späße“ in die Jahre gekommene Restbestände von Punk-Subversion bedienen, eingeschlossen. Denn die Pseudo-Satire der „Partei“ richtete sich ja all die Jahre nur gegen die auch von den anderen Parteien markierten Kritiker von „rechts“, nicht aber gegen die wirklich Mächtigen. Sobald die „Witze“ den vorgegebenen Rahmen übertreten, werden auch in Wehnemanns Gruppierung schnell die Mechanismen der globalen „Cancel Culture“ wirksam. Dann wird zurückgerudert und um Verzeihung gebeten. Insofern wirkt Wehnemanns Lamento gegen die stärkere und frischere Kraft „Volt“, die in dessen eigenen Wählerpotenzial derzeit erfolgreicher hausiert, hilflos.

Dennoch liegt er in seiner politischen Einschätzung nicht falsch. Denn es ist erstaunlich, daß „Volt“ so schnell wachsen konnte, offenbar Anhänger und Kandidaten fand. Und „Volt“ scheint ein gewisses Wählerpotenzial zu binden. Schaut man auf die Listen der Kandidaten, so wirken diese so, als würde besonders ein linksliberales Potenzial zwischen 25 und 40 Jahren angesprochen. Junge bürgerliche Großstädter, die sich als angehende Besserverdiener in Wartestellung halten, um die durch das globale Kapital vergebenen Angestelltenposten zu besetzen.

Erfolgreiche Parteigründung im Schnellverfahren

Besonders erstaunlich aber wird es, wenn man sich den Gründungsmythos von „Volt“ anschaut. Angeblich saßen im Januar 2017 die beiden Studenten Damian von Boeselager und Andrea Venzon in einem New Yorker China-Restaurant, als ihnen die Idee kam, eine paneuropäische Partei zu gründen. Noch am selben Abend riefen sie die 24-jährige Französin Colombe Cahen-Salvador an, um sie ebenfalls von der Idee einer Parteigründung zu überzeugen. Cahen-Salvador sei dann der Name „Volt“ eingefallen, der die „neue Energie für Europa“ symbolisieren solle. Ein paar Wochen später gab es eine Homepage, und schon in der ersten Nacht der Online-Schaltung hätte es Anmeldungen von Parteimitgliedern gehagelt.

Nach vier Monaten hatte die Partei bereits 4000 Mitglieder. Das klingt sehr außergewöhnlich für jeden parteipolitisch Erfahrenen, der weiß, wie schwierig erfolgreiche Parteigründungen sind: Es fehlt an Personal, an Finanzmitteln für Wahlkämpfe und Öffentlichkeitsarbeit. Hinzu kommen bürokratische Hürden, zum Beispiel beim Sammeln von Unterstützer-Unterschriften für die Wahlzulassung. All dies scheint „Volt“ mit Leichtigkeit geschafft zu haben, und zwar mit einer Programmatik, die letztlich keine inhaltliche Leerstelle besetzt, sondern sich mit den Zielen bestehender Parteien deckt.

Zu den Mit-Gründern Venzon und Cahen-Salvador finden sich im Internet wenige Informationen, die über einige Bekenntnisse zur Globalisierung und „gegen Rechts“ hinausgehen. Bei Damian von Boeselager, der mittlerweile für „Volt“ im Europa-Parlament sitzt, sieht das etwas anders aus. 1988 wurde er in Frankfurt am Main als Spross des Adelsgeschlechts Boeselager geboren. Sein Vater ist der Bankier Georg Freiherr von Boeselager, der erst beim Bankhaus Metzler in Frankfurt tätig war, dann zur Privatbank Merck Finck wechselte: „Er verantwortete unter anderem die Kontaktpflege zu vermögenden Kunden, war Aufsichtsratsvorsitzender der Merck Finck Treuhand sowie Stiftungsratsvorsitzender der Merck Finck Stiftung.“

Merck Finck gehört zum europäischen Privatbankenverbund der KBL European Private Bankers. 2012 wurde KBL von Precision Capital übernommen. Auf der KBL-Webseite ist zu lesen: „Precision Capital vertritt die privaten Interessen von Mitgliedern der Al-Thani-Familie in Katar und hält 99,9% der KBL epb.“ Die Al-Thani-Familie ist die weitverzweigte Herrscher-Dynastie des Emirats Katar. Damian von Boeselager wiederum studierte in Bayreuth, in New York und der Hertie School of Governance in Berlin. Bereits in der Zeit zwischen diesen beiden Studiengängen arbeitete er von 2013 bis 2016 für die in New York ansässige Unternehmensberatung McKinsey & Company. Diese vertritt nach eigenen Angaben über zwei Drittel der 1.000 größten amerikanischen und die Mehrzahl der im DAX vertretenen deutschen Unternehmen, betreut zudem zahlreiche öffentliche Institutionen und Regierungsstellen.

Boeselager entstammt also einem Milieu des großen globalen Kapitals und kam mit diesem frühzeitig beruflich in Berührung. So kann vermutet werden, daß Mäzene aus diesem Milieu bei der Installation von „Volt“ behilflich waren, um auf weitere Globalisierung gerichtete Interessen zu fördern. Offenbar ist „Volt“ somit eine politische Kraft, die die „Trägheit“ der Alt-Parteien etwas aufbrechen soll bzw. den Druck zu einer beschleunigten Abschaffung der nationalstaatlichen Rechte erhöhen soll. Welche Rolle sie in der Frankfurter Politik spielen wird, ist abzuwarten. An der Macht in der Finanzmetropole zumindest dürfte sie wohl bald beteiligt sein.

Claus-M. Wolfschlag

Zuerst erschienen bei bff-frankfurt.de am 12.5.2021

Polit-Selbsttest

Für uns Menschen interessant ist bisweilen der Unterschied (oder wahlweise die Übereinstimmung) zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Freunde oder Fremde haben nämlich nicht selten eine ganz andere Wahrnehmung der eigenen Person, der eigenen Ziele und Handlungen als man selbst. Das hat natürlich auch mit ganz spezifischen Denk- und Wahrnehmungsmustern (oder Erwartungshaltungen) des Gegenüber zu tun. Das betrifft ganz private Begebenheiten, aber z.B. auch politische Einstellungen.

Zu letzteren habe ich z.B. mal vor einiger Zeit einen Test über den Wahl-O-Mat zur Weimarer Republik gemacht. Ein Freund, mit dem ich mich gelegentlich über politische Gegenwartsfragen streite, kam dort zum gleichen Resultat wie ich. Wir hätten beide „Deutsche Demokratische Partei“ (DDP) gewählt, also linksliberal.

Natürlich sind solche Rückschauen eigentlich Humbug. Denn da wählt jemand eine Wahl der Vergangenheit aus der Situation und dem Bewusstsein der Gegenwart. Es ist wie die Frage danach, was man selbst in dieser oder jener historischen Situation getan hätte. Wir können dazu nur spekulieren oder uns heute selbst darstellen. Aber wir wissen es nicht, denn eine solche Entscheidung hängt von vielen ganz konkreten, selbst erlebten Faktoren ab.

Somit zur Gegenwart. Ein Bekannter schickte mir Links zu einigen Polit-Selbsttests. Dort beantwortet man eine Reihe von Fragen und wird danach dann „klassifiziert“. Ich ging mit der Frage daran, ob die dortigen Ergebnisse der Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung Dritter entsprechen. Könnte es gar sein, dass ich als Radikalster der Radikalen einen Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde erhielte ?, fragte ich mich scherzhaft.

Das vorausschickend war mir klar, dass ich nicht als bedingungsloser „Vielfalt“-Anhänger klassifiziert würde. Seit vielen Jahren betrachte ich ja die letztlich desintegrierende Entwicklung der real existierenden „multikulturellen Gesellschaft“ mit kritischer Sorge. Zudem kommt eine patriotische Grundeinstellung, die bei einigen großen Geistern heutzutage bereits ausreicht, einen als Teil der Macht des Bösen zu klassifizieren. Das alles ist bekannt.

Das Ergebnis überraschte mich insofern dennoch. Ich bin laut diesen Tests weit „linker“ und „liberaler“, als selbst ich es gedacht hatte. Schauen wir mal in die Ergebnisse.

Your Political Compass

(Auf dem Grafikschema werde ich im linkslibertären Viertel eingeordnet)

Polittest Claus Politik. The political compass. Politische Einordnung Claus

9 Axes

(Abgesehen von der Tatsache, dass ich Assimilation einer zu starken „multikulturellen“ Desintegration vorziehe, sagen alle Ergebnisse entweder „Neutral“ oder „Moderate/Gemäßigt“. Sogar ein „Moderater Pazifist“ kommt heraus, was mich aber gar nicht überrascht.)

Polittest Claus 9axes Claus

8 values

(Dort bin ich „Centrist“. Also ein Mann der Mitte.)

Polittest Claus Politik. 8 values. index, Politische Einordnung Claus

politicaltest.net

(Dort werde ich in einer seltsam marxistisch klingenden Sprache als „bourgeoiser Patriot“ bezeichnet. Das Ergebnis hangelt sich ansonsten stark entlang der Mittellinie ohne große Ausschläge nach links oder rechts.)

Polittest Clausb

Bemerkenswert am letzten Ergebnis ist der Zusatz: „80 Prozent sind extremistischer als Sie.“ Das heißt, von fünf Leuten in einem Raum wäre ich statistisch betrachtet der am wenigsten zu Extremismus neigende.

Nicht schlecht für jemanden, der mal vor vielen Jahren in einem Halbjahresbericht des bayerischen Verfassungsschutzes kurz erwähnt wurde, ohne irgendetwas extremistisches getan zu haben. Das öffnete mir damals übrigens die Augen, was der Verfassungsschutz eigentlich ist, wem er wirklich dient und wie er arbeitet. Aber das ist ein anderes Thema.

Und nicht schlecht für jemanden, den irgendwelche linken Schreiberlinge bei Bedarf gerne mal schnell als „radikal“ oder „extremistisch“ bezeichnen. Aber ich wusste es ja eigentlich auch schon lange vor den Polittests. Ich mit vier von diesen Leuten in einem Raum, und ich war mir bereits zuvor sicher, wo die „Extremisten“ sitzen und wo nicht.

Bloß, mit dem Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde wird es auf diese Weise nichts.

Falsche Fährte Bauhaus

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Jörg Dittus hat auf dem Blog „Jungeuropa“ eine Würdigung der „Bauhaus“-Architektur verfaßt. Darüber wird zu reden sein.

Das Verschwinden historisch gewachsener Vielfalt durch eine beschleunigte Moderne zeigt sich nicht nur in der Bevölkerungspolitik. Die Auswirkungen der Globalisierung sind auch in zahlreichen kulturellen Verästelungen spürbar: in der Angleichung der Kleidermoden, der Popkultur, der Ausbreitung internationaler Konzern-Ketten und nicht zuletzt in der uns täglich umgebenden Architektur.

Nun führen einzelne Architekten und Bürgerinitiativen seit Jahren einen fast aussichtslosen Kleinkrieg gegen den aktuellen Architekturtrend. Die meisten Initiativen basieren, auch wenn sie sich gegenüber dem politischen Tagesgeschäft als neutral verstehen, auf einem wertkonservativen Grundsatzfundament. Sie wollen Naturräume oder historische Ensembles erhalten, sorgen sich um die soziale Stabilität ihres Ortes, setzen sich für etwas ein, das sie als „Heimat“ verstehen.

Von linksradikaler Seite und aus der modernistischen Architektenschaft werden sie dafür angefeindet. Verwunderlich, wenn nun auch Querschüsse von Seiten der Neuen Rechten stattfinden!

Kommen wir zum Text von Dittus, den man hier lesen kann.

Er hat insofern recht, als in der kunsthistorischen Betrachtung eine Differenzierung der unterschiedlichen Akteure jener Designschule von Nutzen ist. Zudem wirken keinesfalls alle Erzeugnisse der klassischen Moderne aus heutiger Betrachtung unästhetisch oder abschreckend. Gleichwohl aber sind die Folgen der klassischen Moderne, darunter des „Bauhauses“, für viele heutige Probleme in städtebaulicher und architektonischer Hinsicht mitverantwortlich.

Statt eine kritische Auseinandersetzung zu suchen, gibt Dittus nur Argumentationsmuster wieder, die zum Kanon der modernistischen Apologetik gehören. Demnach habe das „Bauhaus“ angeblich mit den heutigen Flachdach-Wohnsiedlungen nur wenig zu tun. Das Bauhaus stände nämlich – im Gegensatz zu aktueller Renditearchitektur – für einen gesamtkünstlerischen Anspruch und für Handwerkskunst. Zudem habe (laut Dittus) ein steiles Dach in unserer Region seine symbolische Bedeutung verloren. Ob Flachdach oder steiles Dach würde angesichts der Dämmung gesichtsloser Fassaden „keinerlei Unterschied“ mehr machen. Dittus schreibt:

Der Bruch in der Formensprache, der durch das Aufkommen der Moderne zweifelsohne stattfand, ist nicht allein der Intention ihrer Repräsentanten geschuldet. Vielmehr war die ohnehin in Gang kommende Industrialisierung, der gesamtgesellschaftliche Umbruch, aber auch der neue Baustoff Beton ursächlich, Dinge zu versuchen, die vorher – mit Holz und Ziegel – nicht realisierbar, aber längst in den Köpfen der Ingenieure und Baumeister virulent waren.

Ihm fällt der Widerspruch in der Argumentation offenbar nicht auf. Denn waren nun die Absichten der einzelnen Architekten nur noch zweitrangig, da die neuen Baustoffe bestimmte Formen scheinbar erzwangen ? Oder waren die neuen Formen in „Köpfen der Ingenieure und Baumeister virulent“, somit die Intention der „Bauhaus“-Repräsentanten doch entscheidend?

Zuletzt gibt Dittus die altbekannte Polemik gegen die Gründerzeit-Architektur wieder, die bis heute als Rechtfertigung des Modernismus Verbreitung findet. Auf die Differenzierung, die er für das „Bauhaus“ fordert, verzichtet er bei der Beschreibung des äußerst vielseitigen Historismus hingegen völlig. Dittus:

Man wollte eine neue Zeit einläuten und den Menschen in den planerischen Fokus rücken. Diesen Ansatz kann man schlecht als etwas Negatives bezeichnen und, vor dem Hintergrund der Tristesse der Neo-Ismen der Jahrhundertwende in planerischer Hinsicht wie auch der Fassadengestaltung, nur begrüßen. Tristesse deshalb, da für die sich uns als besonders pittoresk darstellenden Häuser der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein und derselbe Grundriss immer und immer wieder kopiert wurde. Der Bauherr konnte sich dann den Stil in Form von Verputz und Ornament auf die Fassade klatschen lassen – eine gestalterische Ehrlichkeit, bei der sich die Konstruktion in der Fassadengestaltung et vice versa abbildet und erschließen lässt, gab es nicht. Dies war in der klassischen Antike anders und dies sollte in der Moderne wieder Anspruch sein.

Seltsam nur, daß bis heute innerstädtische Gründerzeitstraßenzüge als beliebte Wohnquartiere fungieren. Obwohl sie solche „Tristesse“ ausdünsten? Und mit der Ehrlichkeit ist das so eine Sache. Wie „ehrlich“ sind eigentlich Glasfassaden, die vorgeben zu schweben und ihre Verankerung im Fundament kaschieren? Oder angeklebte Natursteinplatten? Oder warum ist ein Flachdach „ehrlicher“ als ein spitzes Dach? Weil es leugnet, daß es in unseren Gegenden regnet?

Dittus möchte nun ausgerechnet das „Bauhaus“ als Vorbild für die „Neue Rechte“ empfehlen. Demnach dürfte Deutschland im Moment zumindest optisch jeden Tag „rechter“ werden. Ein Blick auf die linke Gegenseite müßte Dittus eigentlich rasch ernüchtern.

„Arch+“, das linke Leitorgan der Baumodernisten, veröffentlichte 2016 die Verlautbarung eines „projects bauhaus“. Zu dessen Koordinationsgruppe gehörten Anh-Linh Ngo und Philipp Oswalt, neben Stephan Trüby zwei Hauptwortführer der universalistisch und anti-national argumentierenden Gegner von Architektur-Rekonstruktionen. In dieser Verlautbarung hieß es treffend zum Bauhaus:

Das Bauhaus wie auch die Klassische Moderne insgesamt engagierten sich für universale Gestaltungsprinzipien. Ganz im Geiste der Aufklärung sollte Gestaltung auf vernünftige, sachliche und allgemeingültige Grundlagen gestellt werden, den Wissenschaften vergleichbar. Damit suchten die modernen Gestalter/innen Anschluss an die erfolgreiche wissenschaftlich-technische Entwicklung, die auf universalistischen Ideen basierte. Zudem wollten sie die mit dem Ersten Weltkrieg offenkundig gescheiterten Nationalismen durch das Konzept des Internationalismus ersetzen. Der Universalismus diente hierbei auch gezielt dem Bruch mit den spezifischen historischen Traditionen. Universell verstandene Gestaltungsprinzipien lösten die einst gestaltprägenden lokal verwurzelten kulturellen Bedingtheiten ab; Geometrie und Physiologie lieferten die neuen naturwissenschaftlich herleitbaren, vermeintlich wertfreien und allgemeingültigen Methoden und Prinzipien.

Aufbauend auf der Annahme von anthropologischen Grundbedürfnissen ermöglicht der Funktionalismus, alle Bauwerke unabhängig von Klasse, Nation und Religion nach einheitlichen und allgemeinen Prinzipien und Methoden zu entwerfen. Damit erhalten alle Bauaufgaben die gleiche gestalterische Aufmerksamkeit und werden nicht etwa nach sozialen Wertskalen oder repräsentativen Erfordernissen hierarchisiert (etwa Fabrikantenvilla versus Arbeiterwohnung). Zugleich verändern sich auch die verwendeten Gestaltungsmittel. An die Stelle hierarchiebildender Formen wie Monumentalität und Symmetrie treten Serialität und Raster.

Demnach bestand der Anspruch des Bauhauses und anderer modernistischer Versuche gerade darin, durch serielles Bauen unter Abkehr von aller Tradition Wohnraum für die moderne Industriegesellschaft zu schaffen. Mit alter Handwerkskunst hatte das nicht viel zu tun.

Peter Cachola Schmal ist seit 13 Jahren Leiter des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main. Nur widerwillig konnte sich der gut vernetzte Strippenzieher mit der Rekonstruktion eines kleinen Teils der Frankfurter Altstadt abfinden. In der Presse wurde unlängst seine Aufforderung an Politik und Architektur zitiert: „Neu bauen, höher bauen, dichter bauen. Äcker bebauen, Siedlungen der fünfziger und sechziger Jahre verdichten.“ Und das alles bewußt ohne Rücksicht auf Anwohner und Bürgerinitiativen, die sich für den Erhalt von Grünflächen einsetzen und über chaotische Verkehrsverhältnisse durch neue Großsiedlungen vor ihren Fenstern sorgen.

Der durch die Politik verursachte Bevölkerungsdruck zieht technokratische „Lösungen“ der Probleme nach sich. Und diese schrecken vor Natur, wertvollen Landwirtschaftsflächen und gewachsenen Ortsstrukturen immer weniger zurück. Derzeit überziehen Flachdachblocks mit Styropor-Dämmfassaden das Land. Möglichst klimafreundlich, mit etwas Rasen auf dem Dach. Längst wird offen darüber diskutiert, dem modularen und seriellen Bauen in Zukunft größere Bedeutung zukommen zu lassen. Die Wiederkehr der „Platte“ hätte sich beim Bau von Flüchtlingsunterkünften bewährt und sei „eine gute Maßnahme gegen den Wohnungsmangel“.

Wir stehen vor einem Bau-Furor, der sich anschickt, viel Naturraum und bislang gemütliche vorstädtische Areale zu zerstören und radikal umzuformen. Deutschland wird sich dabei der restlichen Welt ein Stück mehr angleichen.

Daß hierauf Antworten gefunden werden sollten, liegt auf der Hand. Die aktuelle Rekonstruktionsbewegung kann nur einzelne Bauwerke und Ensemble als Symbole des kulturellen Erbes wiederherstellen. Schon das ist mühsam genug und mit bisweilen enormen Widerständen verbunden.

Für den Wohnungs- und Bürobau abseits kleiner Altstadtbereiche muß aber eine neue Baukultur entstehen, die ein Gegenmodell zur universalistischen Moderne bildet. Dazu gehört eine stärkere Berücksichtigung traditioneller Formen und regionaler Spezifika. Das könnte Bauherren die Chance auf eine Alternative ermöglichen. Die Empfehlung aber, dafür Anknüpfungspunkte beim 100 Jahre alten „Bauhaus“ zu suchen, dürfte indes auf die falsche Fährte führen.

 

Zuerst erschienen bei sezession.de am 25. Juni 2019